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Weidepflege und Wildheuen – Wo Käse, Kühe und Helikopter zusammentreffen
Neben den Stallarbeiten und der Käseherstellung gibt es auf einer Alp noch viele weitere Aufgaben. Wie wird Weidepflege betrieben und was ist Wildheuen?
In meinem zweiten Beitrag konntet ihr alles über die täglich wiederkehrenden Aufgaben im Stall und rund um den Käse erfahren. Neben den Stallarbeiten und der Käseherstellung muss jedoch noch wesentlich mehr geleistet werden. Warum ist das Berner Oberland von den charakteristisch grün gepflegten Alpweiden geprägt, und wie wird Weidepflege betrieben? Was ist Wildheuen und wie funktioniert es? Das erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Warum Weidepflege über den Alpkäse entscheidet
Nachdem ich mittlerweile täglich 1,2 t Käse wende und schmiere, ist bis zum abendlichen Melken keine Pause angesagt…
An den meisten Tagen wird zwischen der Käsepflege und dem Stall Weidepflege betrieben. Die Oberländer Alpweiden sehen nicht zufällig so schön gepflegt aus und gelten als eines der Wahrzeichen der Schweiz. Weidepflege wird hauptsächlich betrieben, um Verbuschungen zu vermeiden. Je mehr Gebüsch oder Unkraut wächst, desto weniger Weidefläche für die Kühe ist vorhanden, und die wertvollen und nahrhaften Gräser und Kräuter verschwinden mit der Zeit. Dies würde auch ein Defizit in der Milch für unseren leckeren Alpkäse bedeuten.
Um dies zu vermeiden, wird Weidepflege betrieben.


Wie funktioniert Weidepflege?
Damit die grüne Weide erhalten bleibt, müssen kleine Tannenpflänzchen gesichtet und aus dem Boden gezogen werden. Büsche und Dornengewächse wie Brombeeren oder Himbeeren schneidet man sinnvollerweise regelmässig zurück und dünnt sie aus.
Disteln vermehren sich ebenfalls schnell und müssen entfernt werden. Mit einer spitzen Schaufel wird der Wurzelteller der Distel rundum gelockert, sodass sie anschliessend mit dornensicheren Handschuhen herausgezogen werden kann.
Ein weiteres Problem stellt der Ampfer, hier „Blacken“ genannt, dar. Er verbreitet sich rasend schnell in den Weiden und besitzt sehr tiefreichende Wurzeln. Sein Samen ist bis zu 60 Jahre keimfähig. Die Kühe verteilen die Pflanzen über ihren Kot, in dem die Samen des Ampfers enthalten sind. Um die Wurzel vollständig aus der Erde zu entfernen, wird ein besonderes Stecheisen genutzt. Bevor der Boden mit der Wurzel damit ausgehebelt wird, sticht man rund um die Pflanze mit dem Eisen in die Erde. Dadurch lockert sich der Boden, und die Wurzel lässt sich leichter ziehen.


Das Jakobskreuzkraut muss auf den Weiden entfernt werden, weil es für die Weidetiere eine hochgiftige Wirkung hervorruft. Die Giftstoffe des Krautes werden im Körper der Tiere zu Stoffen umgewandelt, die die Leber irreversibel schädigen können. Das Jakobskreuzkraut lässt sich leichter aus dem Boden ziehen. Ein kleiner Stecher mit einem Messer vor der Pflanze sorgt dafür, dass sie problemlos vollständig mit der Hand entfernt werden kann.
Prinzipiell sollte darauf geachtet werden, dass die Pflanzen vor der Samenreife gesichtet und entfernt werden, sodass sie sich nicht schnell vermehren. Je regelmässiger Weidepflege betrieben wird, desto weniger Arbeit fällt in den darauffolgenden Jahren an.
Mit Muskelkraft und Mut am Steilhang – Abenteuer Wildheuen
Das Heuen sorgt nicht nur für einen Futtervorrat im Winter für die Kühe, sondern ist ebenfalls eine Weidepflegemassnahme. Durch das Abmähen wird die Vergrasung gefördert. Gräser werden gegenüber unerwünschten Kräutern und giftigen Pflanzen gestärkt und eine Verbuschung vermieden.
Wildheuen bedeutet das Heuen an steilen und schwer zugänglichen Lagen. An diesen Flächen ist es unvorstellbar, mit dem Traktor zu mähen. Selbst mit dem Einachsmäher stellt man sich häufig die Frage, wie man dort nur den Mäher vor sich herschieben kann.
Die steilsten Flächen der Familie Sieber-Beer liegen im „Schelm“. Vier Hänge mit einer Steigung von 60–80% werden einmal im Jahr vom Chef höchstpersönlich mit dem Einachsmäher gemäht. Um etwas Vorarbeit zu leisten, wird das gemähte Gras für circa 5 Meter in die Wildheufläche eingerecht. Wie auf jeder anderen Fläche muss das gemähte Gras nun trocknen. Nachdem die Sonne ihre Arbeit verrichtet hat, werden unten an der Fläche der Heuwiesen Helikopternetze ausgelegt und gespannt. Mit einem Laubbläser, Heugabeln und Rechen wird das getrocknete Heu zu Heuhaufen gestapelt. Diese schiebt man dann mit viel Menschenkraft in Richtung Helikopternetz. Von dort aus kann das Heu mit einer Heugabel sorgfältig auf dem Helikopternetz gestapelt werden. Mithilfe der Rechen und des Laubbläsers wird die Heufläche im Anschluss noch sauber geputzt.

Je nach Vereinbarung mit dem Helikopterunternehmen holt der Helikopter die Heunetze ab und setzt sie auf der nahegelegenen Strasse ab. Dies ist das Highlight des anstrengenden Prozesses. Dennoch kommt es hierbei auf die Geschwindigkeit an. Alles muss bestens vorbereitet sein, damit der Helikopter möglichst kurz im Einsatz ist, um hohe Kosten zu vermeiden. Jede angefangene Minute kostet die Landwirte viel Geld. Flughelfer, die vom Helikopter abgelassen werden, betreuen den Abtransport. Sie geben konkrete Anweisungen, was zu tun ist, und tragen die Verantwortung.
Eine riesige Schlaufe wird jeweils durch die Eckeisen der Netze geschlungen, sodass sie sich nach oben zuziehen, sobald sie am Transporthaken des Helis eingehängt werden.
Wenn die Heunetze auf der für den Transporter zugänglichen Strasse liegen, beginnt ein weiterer grosser Arbeitsschritt. Mit Heugabeln wird der Transporter mit dem frischen Heu beladen und ins Tal gefahren. Unten angekommen, wird das Heu abgeladen und zu einer schönen Schwade geformt, damit es gepresst werden kann. Ohne Unterstützung von Familie und Freunden wäre das Wildheuen kaum möglich. Es ist ein reiner Kraftakt, der nicht ungefährlich ist.
Ein Abenteuer in meinem Leben, das ich nicht so schnell vergessen werde.
Mehr als Pflege – ein Beitrag zur Biodiversität
Ein wichtiger weiterer Faktor für die Weidepflege und das Wildheuen ist die Stärkung der Biodiversität. Was Biodiversität bedeutet und welche hier am Niesen liegenden Flächen vorkommen, erfahrt ihr in meinem nächsten Beitrag.
