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Ein Sommer geht – und mit ihm die Herde
Was geschieht nun in den letzten Tagen und Wochen auf der Alp – und wie erfolgt überhaupt der „Zügeltag“, den viele Menschen unter dem romantischen Begriff „Alpabzug“ kennen?
Rund um die Alp gibt es noch eine Menge zu tun, bevor sie in den Winterschlaf verfällt. Was genau, das erfahrt ihr hier.
Die Spur der Kühe – Wie der Boden für das nächste Jahr vorbereitet wird
Sobald die ersten Weiden zum letzten Mal von den Kühen und Rindern abgegrast wurden, beginnt dort das Ausschoren. Kuhfladen werden mit einer Schaufel aufgesucht, vollständig aufgenommen und an Hängen als Dünger verteilt. Da Kühe bevorzugt an flachen Stellen koten, entstehen Nährstoff-Hotspots – Überdüngungen. Durch das Ausschoren werden die Nährstoffe gleichmässiger verteilt. Zudem sorgt das Verteilen der Kuhfladen für eine schnellere Zersetzung und fördert die Bodenfruchtbarkeit, sodass es im nächsten Jahr zu einem gleichmässigeren Weidebewuchs kommt.


Der Zügeltag- eine romantische Illusion
Sobald die Kühe die letzte Weide erreicht haben, kann der ungefähre Termin berechnet werden, an dem die Tiere die Weide vollständig abgegrast haben und von einem Tierlastwagen abgeholt werden können, um sie ins Tal zu bringen. Der Lastwagen wurde in dieser Saison für den 2. Oktober bestellt.

Für mich war es ein besonderer Morgen. Jeden Teil meiner Tätigkeiten ab 4:45 Uhr habe ich noch einmal bewusst wahrgenommen und genossen. Ich habe ein letztes Mal den Wäschehafen entzündet, den Mist mit Stefan entfernt, ein letztes Mal gemolken, Kühe gestriegelt und gestreichelt, genussvoll mitten im Stall den Kaffee getrunken, herzhaft gelacht und anschliessend das Melkgeschirr geschrubbt.

Nach dem vertrauten Morgen, den ich knapp fünf Monate ritualisiert erlebt habe, ging es nicht mehr vertraut weiter. Anstatt die Kühe hinaus auf die Weiden zu lassen, blieben sie im Stall und bekamen noch etwas frisches Heu gefüttert, bis der Lastwagen um 8:00 Uhr pünktlich auf der Alp erschien.
Da die Kühe das Führen am Halfter von Beginn ihres Lebens kennen, war das Beladen des Lasters sowohl für Tier als auch Mensch entspannt. Vorsichtig und sicher wurden die Tiere ins Tal transportiert.

Unten angekommen, wartete Christa bereits auf die „Ladys“, um sie in Empfang zu nehmen und auf die Weide zu lassen. In der Zwischenzeit haben wir oben die Melkrohranlage abmontiert und den Melkanhänger ebenfalls ins Tal gefahren. Hierbei müssen alle Handgriffe stimmen, denn am Abend muss alles wieder so vorbereitet sein, dass gemolken werden kann. Bevor das Anschliessen der Melkanlage im Dorf anstand, hatten wir uns ein familiäres Mittagessen verdient. Um 16:00 Uhr war die Melkvorrichtung eingerichtet, und wir konnten uns auf den Weg machen, um die Kälber auf der Alp zu holen.

Ein letztes Mal durfte ich sie auf der Weide rufen und mit meinem Treibstock in den Stall treiben. Bis auf vier Rinder und zwei Kälber wurden alle in einen Viehanhänger verladen und hinuntergebracht. Solange es noch nicht schneit und die Rinder und Kälber Futter auf der Alp finden, bleiben sie noch etwas oben, bis der letzte Alphelfer „zügelt“ und die Stalltüre zum allerletzten Mal verriegelt wird. Während Stefan und Christa im Dorf ihren alltäglichen Aufgaben nachgingen, war es für mich ein komisches Gefühl, bereits um 18:00 Uhr Feierabend zu haben.
Es kam ein richtiges Freiheitsgefühl in mir auf. So schön die Arbeit mit den Tieren auch war – endlich gab es mal wieder einen frühen Abend, an dem ich selbst entscheiden durfte, wie ich ihn verbringen möchte. Ich lief zu meiner Lieblingsstelle, genoss den Blick auf Blümlisalp, Eiger und Co. und trank genüsslich ein Glas Wein. Ich hatte es geschafft! Ein wunderschönes Gefühl, das mich etwas emotional werden liess.
Wenn die Weiden verstummen – Die letzten Handgriffe vor dem Schnee
Die Alparbeiten beginnen im Frühjahr mit dem Einzäunen und Unterteilen der Weideflächen. Das Abzäunen ist eine der letzten wichtigen Aufgaben zum Ende der Alpzeit. Elektrozäune werden vollständig entfernt, um das Material vor Witterung zu schützen und es möglichst langlebig nutzen zu können.

Holzpfähle und Stacheldraht werden je nach Lage entfernt. An Stellen, wo Schneeabgänge losgelöst werden könnten, entfernt man sie besser. Die Holzpfähle werden in der Heudiele vor Witterungsschäden eingewintert, und der Stacheldraht darf am Boden liegen bleiben, sodass er im kommenden Frühjahr schnell wieder aufgenommen werden kann.

Holz ist Vorbereitung – Brennstoff für die nächste Saison
Um einen reibungslosen Start der nächsten Alpsaison zu ermöglichen, muss das Holz bereits am Ende dieser Saison vorbereitet werden. Mithilfe einer Spaltmaschine wird das Fichtenholz in die vorgesehenen Grössen zerschnitten und an verschiedenen Stellen rund um die Alp platziert und gestapelt. Ein Holzstapel ist für die Feuerstelle des Käsekessis vorgesehen, ein weiterer für das Feuern des Wäschehafens, und im Holzstall liegt das Holz für den Ofen in der Küche bereit.

Saisonende im Pfruend Senggi – Vorfreude auf das nächste Jahr
Bevor der Winter im Pfruend Senggi so richtig Einzug hält und der Schnee die Alp in den Winterschlaf fallen lässt, müssen einige Gegenstände verstaut und eingewintert werden, damit nichts kaputtgeht. Letzte Lebensmittel werden aufgebraucht oder ins Dorf gebracht. Vor allem muss auch der wertvolle Käse aus dem Käsekeller geräumt und ins Tal gefahren werden. Dort wird er dann regelmässig im Käsekeller des Hauses der Familie gepflegt. In ein paar Wochen ist es so weit, und die Familie Sieber-Beer verabschiedet sich zum letzten Mal von diesem wunderschönen Fleck Erde – bis es im nächsten Jahr mit den ersten Rüstungen für die anstehende Alpsaison wieder losgeht.





