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Vergiss im Läbe nie, dass aui Wulche witerzieh…
von Nadja Tschanz | Site Alp
26.05.2015
Diese Zeile aus dem Jodellied "e gschänkte Tag" von Adolf Stähli zitiert mein Grosvater öfters. Und wie recht er hat! Keine Weisheit würde momentan besser passen.
Diese Zeile aus dem Jodellied “e gschänkte Tag” von Adolf Stähli zitiert mein Grosvater öfters. Und wie recht er hat! Keine Weisheit würde momentan besser passen. Klar, man kann es auf das Wetter beziehen, das uns seit Tagen im Stich lässt. Da könnte man sich wahrlich die Haare raufen. Wenn die Bise tagelang so richtig durch die Hütte pfeifft, einem den Schlaf raubt oder die Tür beim Öffnen gleich aus der Hand reisst, könnte ich lauthals schreien. Gut, was heisst “könnte” – ich mache es auch. Schert sich ja niemand drum hier und als verrückt werde ich auch nicht angeschaut. Doch gerade eben schoben sich die Wolken ein wenig zur Seite. Welch eine Freude! Auf dem kurzen Spaziergang um die Hütte entdeckte ich all die wunderbaren Sachen, die ich bereits vermisst habe. Man sieht, hört und riecht den Frühling tatsächlich. Die Vögel pfeiffen im Wald, die “Holzbiige” riecht nach feuchtem Holz, die Enziane sind offen und ich kann den Stern in der Mitte sehen.
Am Besten erträgt das Wetter Moritz. Der kleine weisse Kater liegt noch den ganzen Tag im Korb und kuschelt sich an Molly, seine Mama. À propos Moritz: Simon taufte ihn anfangs heimlich Mohamed und nennt ihn auch jetzt noch so. Warum auch immer… (kein weiterer Kommentar nötig). :-)
Nicht nur wettertechnisch passt der Spruch. Auch für unseren Start im neuen Stall ist er ganz zutreffend. Nebst den Schweinen sind gestern auch rund 70 Kühe und Rinder bei der unteren Hütte eingetroffen. Die allgemeine Stimmung war angespannt, die Melkanlage noch nicht ganz bereit. Wie es so geht, “versecklet” es einen gerne noch im letzten Moment. Doch – nicht zu fassen – um 16.30 standen die ersten Kühe bereit und durften den Melkstand einweihen. Klar, schnell zeigte sich, wo es noch Details zu verbessern gibt. Schliesslich landeten gut 300l Abendmilch im Kessi. Ein kleines Wunder!
Dann heute morgen die Ernüchterung. Simon war gerade beim Einlaben als der Anruf uns erreichte: Eine Kuh sei in ein Loch im alten Teil des Stalls gefallen. Schnell machten sich alle Jungs ausser Simon auf zum Stall. Nach kurzer Analyse der Situation war klar: 3 Kühe sassen im alten Gülleloch fest. Zum Glück war es leer. Es ist unerklärlich, wie die Kühe den Rost öffnen und da runterfallen konnten. Schliesslich wurde im alten Stall nichts geändert. Also ist dieses Ereignis weder auf einen Baufehler noch auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. Schlicht unvorstellbar! Zum Glück konnte die Feuerwehr alarmiert und die Kühe mit gemeinsamen Kräften rausgezogen werden. Quasi unverletzt, lediglich mit wenigen Schürfungen. Das zweite Wunder – und zwar ein grosses! Herzlichen Dank an alle Helfer.
Während dieser bangen Stunden haben Simon und ich unsere ersten Berner Alpkäse AOP dieser Saison produziert. Die Handgriffe sitzen zwar noch nicht perfekt, doch die Käse sehen bis jetzt gut aus. Übrigens habe ich vor wenigen Augeblicken den Ziger aus dem Tuch gewickelt und als Allererste ein Stück davon probiert. Er war sogar noch warm! Welch ein Privileg…
Es bleibt spannend. In ein paar Tagen führe ich Sie, liebe Leserin, lieber Leser an einen geheimnisvollen Ort.
Bis bald
Nadja
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