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Holze uf dr Alp und Überraschig bim Zügle
von Anne-Sophie Klee | Oberstockenalp
11.09.2016
Altweibersommer! Herrlich! Jeden Morgen grüsst die wunderbare Sonne über die Niesenkette, lässt die Tauperlen im Gras leuchten und uns strahlen.
Altweibersommer! Herrlich! Jeden Morgen grüsst die wunderbare Sonne über die Niesenkette, lässt die Tauperlen im Gras leuchten und uns strahlen. Es ist wunderbar warm, abends leutet das Stockhorn im Licht und von der Laube sind prächtige Sonnenuntergänge und später der Sternenhimmel zu bestaunen: Und weil die Milchkühe wieder im Tal sind und die Alpwochen gezählt sind, nimmt man sich Zeit zum Schauen und Staunen. Man füllt sich das Herz ganz voll mit diesen Farben, diesem warmen Leuchten, dem Zusammensein. Als Seelenvorrat für den Winter im Tal.
Auch wenn’s die letzten Wochen sind, gefüllt sind sie. Mit Abenteuern und Überraschungen. Zum Beispiel der Lebensmitteler, der uns am Mittwoch besuchte (u ganz zfride gsi isch!). Oder der Rega-Heli, der einen Wanderer holen musste – grad vor unserer Hütte, das Dach vom Hasenstall hats weg geblasen und die Gäste sind alle mit ihren Handys losgestürmt, klick klick klick. Lustig waren die englischen Journalisten, die angemeldet waren für eine Führung im Käsekeller. Wir lernten Älplerwortschatz in englisch (meräng hiist übrigens o meräng, nume schwätzt mäs merääääng) und standen in Edelweissmontur da – die guten Herren waren aber so erschöpft vom Wandern (vom Horn hinunter zur Alp, notabene) dass sie nur bleich ein Coke verlangten und einige Pictures vom Cheese schossen, um dann grad wieder weiter ins Tal zu stifeln. Dass wir no electricity haben, hat sie am meisten beeindruckt.
U de isch bout worde hie obe! Gewischt, gepickelt, geputzt, gemauert. Die Terrassen hinter und vor dem Stall wurden verlängert, der Weg zum Stall verbessert, damit die Kuhfüsse mehr Tritt haben. Unsere Mannen haben alles vorbereitet bis zum Moment, wo der Beton zum Zug kommt. Die Maurer sind früh am Morgen gekommen und eine halbe Stunde später dann der Swiss Helicopter. Er ist hin- und hergeflogen und hat Betonladung um Betonladung gebracht. Eindrücklich, wie präzise der Pilot seine Maschine lenken kann! Die Hasenstalldächer haben wir dieses Mal gut befestigt.
Puure holzen im Herbst/Winter. Hier oben auch, wir brauchen Holz fürs Warmwasser und den Käse und sowieso. Aber auf der Alp gibt es keine Vollernter, um die Holzstämme zu transportieren. Früher hat der Senn Arbeitspferde gesömmert und sie dann vor die Ladung gespannt. Heute bestellt man alle vier bis fünf Jahre den Heli. Eine grosse Arbeitsentlastung. Der schafft in einer Stunde, was früher Wochen dauerte. Nach dem Betonfliegen hat der Pilot also in den Wald abgedreht und die gerüsteten Baumstämme zur Hütte geflogen. Da muss man kein Kind sein, um aufgeregt ewig zuschauen zu wollen! Jetzt muss der Holzberg langsam abgearbeitet, gesägt, gefräst und die Spälten versorgt werden.
Unter der Woche hatten wir viele Tageswandergäste, dafür waren die Abende etwas ruhiger. So wurden die Spaghetti auch mal draussen im Abendlicht genossen. Es ist schön, wenn wir ab und zu für uns sind.
Am Samstagmorgen war dann die Züglete geplant: die restlichen Guschti und Mutterkühe plus Kälber sollten hinab auf die Vorweide ziehen. Wir sind also früh auf, mit Stock und Salz ausgerüstet ga dHerde zämesueche und haben zu treiben begonnen. Vor dem See machten wir Pause und zählten die Tiere. Aubes gar nid so eifach, die lieben Tierli laufen ja immer wieder durcheinander oder verstecken sich unter der Mutterkuh. Uf aufäu merkte der Senn, dass einige fehlen. Zwei von uns also zurück an den Berg, ufe und abe gestapft und gesucht. Drei Kühe sind von selber aus den Tannen gekommen, dem Herdetrieb sei dank. Aber wo ist die letzte? Plötzlich ruft der Senn. Unsere Punk-Kuh ist am kalben! Mutterkühe sind sich gewohnt, ihr Kalb alleine zu Welt zu bringen. Meistens sondern sie sich von der Herde ab, wollen ihre Ruhe haben und kommen erst nach ein paar Tagen zurück. Senn und Zusenn beraten sich kurz: will man die Kuhherde trotzdem abe zügle, läuft eine einzelne Kuh am Halfter so weit alleine? Oder wartet man einige Tage und züglet alle zusammen? Ist das Kalb dann stark genug um diese Strecke zu meistern? Schliesslich wurde die Züglete abgeblasen und wir sind zurück in die Hütte. Der Zusenn kommt später vom Weiderundgang mit der frohen Nachricht: ein gesundes Kuhkalb. Welch Überraschung. Der Senn lacht nur: die Natur kann man eben nicht planen. Der Puur hat sich wohl im Geburtenkalender vertan…
PS: Mit dem Zelt in die Berge losziehen und irgendwo schlafen, das fägt. Grundsätzlich ists aber in der Schweiz verboten. Und die Alpweiden, die gehören jemandem. Der sie pflegt, umzäunt, beweidet und zu ihnen schaut. Wenn ihr also mit vollbepackt an der Hütte vorbeiwandert, dann macht doch kurz Halt und fragt, ob ihr euer Nachtlager aufstellen dürft. Dann sagt euch der Senn, wo das Gras zu hoch ist und wo ihr Feuer machen dürft. So sind alle zufrieden. Es ist eine reine Frage des Anstandes. Schliesslich campieren auch keine ÄlplerInnen ungefragt in euren Vorgärten.
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