Wie verlief deine Kindheit? Warst du jedes Jahr in den Sommerferien unterwegs? Erinnerst du dich an deinen ersten Schultag?
Wenn du diesen Beitrag liest, wirst du merken, dass meine Kindheit wahrscheinlich etwas anders war als deine.
Die ersten Jahre auf der Alp
Meine Eltern sind seit mehr als 30 Jahren verheiratet, und seit mehr als 35 Jahren verbringen sie jeden Sommer auf unserer Alp, der Oberstockenalp. Bald kam das erste Kind zur Welt – mein älterer Bruder Ruedi. Wir wissen alle genau: Am Tag seiner Geburt lag auf der Alp Schnee. Nur wenige Tage später war er das erste Mal „z Bärg“. Da ich im Winter geboren wurde, war ich ein paar Monate alt, als ich das erste Mal hier oben war. Da man nicht bis zu unserer Alp hochfahren kann, wurden wir in den ersten Jahren von unseren Eltern im Tragerucksack getragen. Später gingen wir immer zu Fuss (der kürzeste Weg dauert etwa eine halbe Stunde).
Gemeinsame Abenteuer mit meinen Geschwistern
Ich bin die Zweitälteste, nach Ruedi, und habe zwei jüngere Schwestern: Luisa und Anna. Bei schönem Wetter verbrachten wir unsere Zeit vornehmlich draussen. Wir machten alles Mögliche: Wir bauten Staumauern, betrieben eine Sirupbar, in der wir die jungen Gäste unseres Berggasthauses bedienten, kletterten auf Felsen, hatten eine „Naturbäckerei“ und vieles mehr. Ab und zu besuchten uns auch andere Kinder in unserem Alter, was natürlich immer ein Highlight war. Einen Fernseher hatten wir übrigens nicht (immer noch nicht), aber manchmal schauten wir Sport im Internet (sehr selten, da die Verbindung sehr langsam war). Auf dem Bild seht ihr uns den WM-Final 2010 schauen (Spanien gewann 1:0 durch ein Tor von Andres Iniesta, wer sich noch erinnert).
Schule auf der Alp
Ein grosser Unterschied war auch die Schule. Wir Kinder verbrachten jeweils das erste Quartal unserer Schulzeit auf der Alp, von der ersten bis zur sechsten Klasse. Wir hatten unsere eigene Alpschullehrerin, Franziska, eine gute Freundin meiner Eltern. Sie verbrachte jeweils vor Schulbeginn im August und in den Herbstferien insgesamt drei Wochen bei uns, in denen wir Unterricht hatten. In der Zwischenzeit erledigten wir selbstständig Aufgaben, die sie uns gab. Das klappte mal mehr, mal weniger gut (ohne jetzt Namen meiner Geschwister nennen zu wollen 😉). Meine Taktik war, möglichst viel im Voraus zu lösen, damit ich mehr Zeit draussen verbringen konnte.
Ein besonderes Erlebnis
Für die Alpschule braucht man übrigens eine Bewilligung, das kann nicht einfach so auf Wunsch der Eltern geschehen. Franziska (die wir während der Alpschule natürlich siezten), unsere Lehrerin, stimmte sich immer mit den jeweiligen Klassenlehrern ab, um sicherzustellen, dass wir nach den Herbstferien auf dem richtigen Stand waren. Meistens waren wir sogar weiter als unsere Freunde im Tal, wenn wir wieder in die Schule zurückkehrten. Ich fand das nicht immer ganz einfach – wer als Kind «Anders» ist, hat es manchmal nicht ganz leicht.
Wir hatten während des Sommers immer ein Handarbeitsprojekt (zum Beispiel die Schulfahne!), sangen draussen, machten Schulreisen (darunter Kinobesuche, Wanderungen, Zoobesuche, Fischen und mehr) und hatten ein Jahresthema (zum Beispiel Pinguine, Katzen, die Schweiz und vieles mehr). Alles in allem war es ein richtiges Erlebnis!
Der tägliche Schulweg ab der siebten Klasse
Ab der siebten Klasse, also in der Oberstufe, gingen wir täglich von der Alp ins Tal zur Schule. Das hiess, dass wir morgens früh zur Mittelstation der Stockhornbahn liefen, die Bahn selbst aufschlossen (da es eine Dienstfahrt und keine reguläre Fahrt war), hinunterfuhren und von der Talstation mit dem Velo oder dem Töffli zur Schule fuhren. Genau genommen kamen wir eigentlich immer fünf Minuten zu spät, aber das war mit den Lehrern abgesprochen und daher meistens kein Problem. Einmal, als ich alleine in der Gondel unterwegs war, wurde ich durch eine technische Störung aufgehalten und war mehr als zwei Stunden unterwegs. Glücklicherweise kam ich pünktlich zur grossen Pause in der Schule an. 😉
Kein Urlaub, aber viele Erinnerungen
Bis ins Erwachsenenalter war ich im Sommer nie in den Ferien, da meine Familie eigentlich die ganze Zeit hier oben war. Während meiner Schulzeit kann ich an einer Hand abzählen, wie oft ich im Freibad war (dafür umso öfter in den Bergseen). Es ist einfach eine ganz andere Art zu leben, wir haben dafür viele andere Sachen erlebt, die sonst so niemand erlebt hat.
Besondere Begegnungen auf der Alp
Schön war auch, dass es auf der Alp immer mindestens zwei Angestellte gab. So hatten wir viel Kontakt mit ihnen, aber auch mit vielen Gästen, insbesondere den Stammgästen. Einige von ihnen kennen uns Geschwister schon unser ganzes Leben, was natürlich eine besondere Verbindung ist. Auf dem Bild bin ich mit der Mitarbeitenden Romilda zu sehen, die immer noch eine gute Freundin der Familie ist.
Ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte
Alles in allem kann man sagen, dass man zwar auf einiges verzichtet, wenn man auf einer Alp aufwächst, dafür aber andere, ganz besondere Dinge erlebt. Gerade im Rückblick möchte ich diese Art des Aufwachsens nicht missen. Ich bin sicher, dass mich meine Kindheit geprägt hat, und ich auch dank den Erlebnissen im Sommer zu der Person wurde, die ich jetzt bin.