“Der “Chasloobhafen”

von Christian Haueter | Morgeten

19.08.2017

Den Prozess der Käseherstellung startet man, indem die selbstgezüchtete Bakterienkultur mit verschiedenen Bakterienstämmen und das Labferment beigegeben wird Für das eindicken der Milch mit Labferment , benutzt man heute ein meist ein standardisiertes flüssiges Labenzym. Dieses bewirkt, dass sich die Kasein-Eiweismoleküle in einem elektrochemischen Prozess miteinander verbinden und eine gallertartige Masse bilden.

Den Prozess der Käseherstellung startet man, indem die selbstgezüchtete Bakterienkultur mit verschiedenen Bakterienstämmen und das Labferment beigegeben wird
Für das eindicken der Milch mit Labferment , benutzt man heute ein meist ein standardisiertes flüssiges Labenzym. Dieses bewirkt, dass sich die Kasein-Eiweismoleküle in einem elektrochemischen Prozess miteinander verbinden und eine gallertartige Masse bilden. Von unserem Flüssiglab braucht es zwischen 14 – 16 Milliliter mit Lab pro hundert Liter Milch, um die Milch bei 32 Grad in ca. dreissig Minuten dick werden zu lassen.
Das war nicht immer so einfach.
Früher wurde am Zügeltag ein Stück getrockneter Kälbermagen mit warmer Milch in die „Achisstande“ geschüttet und etwas später in den „Chaslubhafen“ umgeschüttet und in der Feuergrube in die Warme Asche gestellt.. Am Morgen war die Milch ausgeflockt und die ausgeschiedene und mit Labferment angereicherte Molke wurde benutzt um den Ersten Käse herzustellen. Dosiert wurde nach Gefühl, oder indem man schaute wie schnell die Milch in der „Nidelchelle“ dick wurde. Nach dem Käsen wurde warme Schotte in den „Chasloobhafen“ nachgefüllt, und ein neuer Streifen getrockneter Kälbermagen beigegeben.
Der erste Käse war der „Zügler“ -und der war meist von schlechter Qualität. Dies, weil die Milch nach dem Alpauftrieb durch die mechanische Reizung der Euter einen hohen Zellgehalt hatte und weil sich die Milchsäurebakterien im „Chasloobhafen“ sich noch nicht voll entwickelt hatten. Milchsäurebakterien kommen überall vor wo Milch verarbeitet wird und der „Chaslubhafen“ in der warmen Asche war zugleich auch die Brutstätte für die Milchsäurekultur, die für die Käseherstellung äusserst wichtig ist. Die Existenz dieser Bakterien im „Chaslubhafen“ war natürlich früher unbekannt und so entwickelte sich die Kunst der guten Käseherstellung aus Versuch und Irrtum und aus Erfahrung.
Doch dann kam etwas neues, praktisches! „Christian Hansens Labpulver“, Man konnte mit einem Messlöffel die benötigte Menge in kaltem, anrühren, in die Milch schütten -und sie wurde „dick“
Neues ist zwar neu aber nicht immer auch besser !  Mit dem kalten Wasser aus schlechten Quellen wurde vielerorts der Milch auch eine gehörige Portion Kolibakterien beigegeben, hingegen, die Milchsäurebakterien aus dem „Chasloobhafen“ die die Vermehrung der Kolibakterien hemmten, das Milcheisweiss konservieren und für die Entwicklung der Aromen im Käse nötig waren, fehlten nun. Einige Jahrzehnte wurde auf vielen Alpen dank dem „neuen praktischen Labpulver“ Käse von sehr schlechter Qualität hergestellt. In der Not frisst der Teufel Fliegen, – und wenn es keine mehr gibt, Alpkäse, – wurde zum  geflügelten Wort.
Heute können die Milchsäurekulturen im Frühjahr gekauft und auf der Alp ohne „Chasloobhafen“ und Kälbermagen “ in der Thermosflasche weitergezüchtet werden. Aber auch hier hat „Das Neue“ nicht nur positive Effekte. Denn auch bei den Milchsäurebakterien hat sich dadurch standardisierte Bakterienkulturen die „Biodiversität“ verkleinert und der Käse auf den Alpen ist sich in den Aromen ähnlicher geworden.
Die alten hölzernen „Milchgaden“, die Holzgebsen und das Holzmälchterli, in dem sich über Jahrhunderte alpspezifische Milchsäure-Bakterienkulturen ansiedelten sind verschwunden.
Was macht die Wissenschaft?
– Wenn wie vor einigen Jahren die Starterkultur aus dem Labor plötzlich mit„Phagen kontaminiert ist? Sie kratzen aus altem hölzernen Milchgeschirr aus dem ganzen schweizerischen Alpenraum Milchstein  zusammen und suchten mittels aufwendiger Genanalyse nach phagenresitenten Mildsäurebakterien -und fanden zum Glück noch welche

Glosar:

Chasloob“

  ein zusammengesetztes altes keltoromanisches Wort aus  „casea“ lateinisch  für Käse und „Lyoba“(im freiburger Lied „Le ranz de vaches“), „Loobi“(Simmental),, „Ljpa“(Albanien) , „Liepa“(Ukrainische und rumänische Karpaten)

Phagen:
Ein „Kleinst-Halblebewesen aus einigen Genen“ das seine genetische Information in Bakterien platziert und sie so umprogrammiert, dass sie ihre genetischen Informationen reproduzieren. Befallene Milchsäurebakterien sterben ab.

Achisstande
Ein Holzgeschirr für den, „Achis“. Das Wort stammt aus dem Lateinischen „accidum“ (Säure) Der „Achis“ wurde benutzt um aus der Molke den „Ziger“  (Albumineiweiss)auszuscheiden

Ziger
Keltisch ,aus „Twi Ger“ ( zweimal gekocht) Das Albumineiweiss der Milch wird bei ca.80 Grad nach dem Käsen mit dem„Achis“ aus der Molke ausgeschieden.

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