Adie!

von Anne-Sophie Klee | Oberstockenalp

04.10.2016

Mitte Juni bin ich das erste Mal hochgewandert, von der Mittelstation Chrindi zur Oberstockenalp hinauf. Mit klopfendem Herzen, neugierig, chli angespannt. Kann ich zwanzig Guschti einstallen?

Mitte Juni bin ich das erste Mal hochgewandert, von der Mittelstation Chrindi zur Oberstockenalp hinauf. Mit klopfendem Herzen, neugierig, chli angespannt. Kann ich zwanzig Guschti einstallen? Mag ich kräftemässig mithalten? Wie wird das Zusammenleben sein da oben?

Dann kam das Zuune und die Kühe, das Melken und Einstallen, das Weidensäubern und sPfudlä. Das Servieren auf der Sonnenterrasse, das Kopfrechnen, das Käseschmieren, das Milchgeschirrwaschen. Die Abende miteinander, wo wir gespielt und gelacht und erzählt haben. Die Sonnenuntergänge, das Schwimmen im See. Und der Berg, der wunderbare kraftvolle Berg. Dann sind die Säuli und die Kühe und die Guschti schon wieder hinunter ins Tal und ich hab das Holzen erlebt, das Schwirrenmachen, das Abzuune und Aufräumen. Das goldene Herbstlicht am Gipfel. Au schön.

Und als mich der Senn letzte Woche gefragt hat, ob er denn jetzt so gewesen sei wie ich erwartet habe, der Sommer hier oben, da war ich grad sprachlos. Denn nein, der Sommer war nicht so, wie ich erwartet habe. Er war viel strenger, viel erlebnisreicher, viel spannender, viel wunderbarer als ich mir denken konnte. Es sind mächtige Erfahrungen, die man da oben macht. Mit den Tieren, den Menschen, der Arbeit, mit sich selbst. Unbezahlbar.

Es kommt mir vor, als sei da oben ein Reset-Knopf gedrückt worden. Der alles so chli wieder auf Anfang setzt. Die Relationen wieder richtig einstellt und den Blick schärft für das Wichtige im Leben. Weil das Wenige auf der Alp nämlich genügt! Whatsapp nützt da oben gar nichts, ein volles Portmonnaie auch nicht, Biomüesli und Hipsterturnschuhe genau so wenig. Wertvoll werden gesunde Arme und Beine, ein wacher Verstand und die Menschen, die mitleben und –arbeiten.

Ganz ehrlich: äs isch ä Chrampf. Aber auch ein Privileg, so arbeiten und leben zu dürfen. Ich wünsche mir mehr Respekt und Wertschätzung für die Älplerfamilien. Sie sind es doch, die unsere Traditionen leben und weitergeben, die das Wissen der Grosseltern an ihre Kinder vermitteln und so unsere Wurzeln pflegen.

Wir haben also noch Holz gespalten und Äste ausgehandelt und unsere Gäste bedient. Die Herbstabende bewundert und das Gesicht in die Sonne gehalten. Aufgetankt für den Winter. Und dann war er da, mein letzter Morgen auf der Alp. Mit Käse im Rucksack, den Stiefeln im Gepäck und gefülltem Herz bin ich wieder in die Stadt hinunter. Mega dankbar, chli wehmütig und au chli stolz.

Die Oberstockenalp ist noch bis am 17. Oktober bewirtet, je nach Wetter noch eine Woche länger. Man kann sich also noch vom Stockhorn verabschieden und vom See und vom schönen Cheibenhorn. Und dann bis im nächsten Sommer!

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